Kress enthüllt: Aexea – die Schreibmaschine des Grauens

Gepostet By am Dienstag, 8. April 2014 |


So ganz nebenbei läutet der ehrenwerte Kress-Report, die Mutter aller Verlags-Branchendienste, das Ende des menschengemachten Journalismus ein: „Die Aexea GmbH aus Stuttgart hat nun erstmals eine Software vorgestellt, die mit Hilfe eines semantischen Modells Daten aus verschiedenen Quellen verknüpft und anschließend automatisiert nicht nur Headlines, sondern komplette hochwertige Nachrichtentexte formuliert.“ Starker Tobak von Leuten, die es wissen müssen.

 

Berührt, verführt: Aexea – das Schachprogramm der Verlagsbranche?

Oder – und das wäre wirklich innovativ – der Text selbst stammt von der Software.Wäre ja nur folgerichtig, dass eine Schreib-Software ihren eigenen Pressetext verfasst. Sicher ist jedenfalls, dass die Kress-Meldung so ziemlich wörtlich von Aexea stammt, beziehungsweise aus dem Waschzettel ihrer Agentur, verfeinert mit einigen Konjungtiven, leider nicht im Zitat oben.

Der will nur Freiräume geben: Aexea-Chef Saim Alkan

Der will nur Freiräume schaffen: Aexea-Chef Saim Alkan

Immerhin könnte sie das dann nachgewiesenermaßen besser als ihr Mastermind Frank Feulner, Leiter Software Development/ Semantic Technologies bei Aexea, der folgendermaßen zitiert wird: „Es ist die intelligente semantische Logik, die es der Software ermöglicht, Texte zu schreiben, die nur das Sagenswerte ((?)) und Sprechbare ((?)) enthalten“. „Wie wäre es mit Schreibbarem?“ möchte man dem entgegenhalten.

Wenn also das Programm seinen Schöpfer übertrifft, oder gar, wie Deep Blue, den Besten ihrer Zunft das Fürchten lehrt (Kasparow 1997), dann müsste man das, was ich da glänzen sehe, auch riechen: den Schweiß der Angst auf der hohen Stirn des deutschen Journalismus‘.

Allen Fortschritts- und Maschinenfeinden sei an dieser Stelle aber gesagt: AX Semantic Technologies, so der Name des ambitionierten Digital-Volontärs, handelt aus altruistischen Motiven. Im Speziellen liegen ihm verfolgte Minderheiten am Herzen, beispielsweise die Gruppe der noch selbst schreibenden Journalisten. Diesen schafft er laut Kress/Werbetext mit seinen Formulierungskünsten „Freiräume“ – vielleicht für einen schönen Ausflug zur Agentur für Arbeit?

 

 Ganz großes Kino: So textet Aexea

Hartnäckige, investigative Recherche auf der Aexea-Website, also echte Handarbeit, bringt es an den Tag: So schnell wird das nicht passieren. Mit der Erklärung der technischen Grundlagen kompromittiert sich das System selbst.

Die AX im Haus...

Die AX im Haus…

Im Wortlaut: Im Datensatz eines Herstellers für einen Fernseher ist die Bildschirmdiagonale in Zentimeter angegeben. Im Regelwerk ist die Größenordnung für die Bilddiagonale hinterlegt, so dass die Software die Bedeutung der Daten versteht: In diesem Fall ist die Bildschirmdiagonale größer als bei anderen Fernsehern, daher lautet die Bedeutung der Bildschirmdiagonale: „der Fernseher ist sehr groß“. Das setzt der Algorithmus in natürliche Sprache um. Es erscheint der Text: „Der Fernseher ist sehr groß und eignet sich daher für große Wohnräume“. Zitat Ende.

Will heißen: Auch dieses System ist genauso blöde, wie die Leute, die es bedienen. Oder: Bullshit in, Bullshit out.

 

Entwarnung: Aexas Zollbruchstelle

Zunächst mal kann man sich schon die Frage stellen, ob dem Kunden mit einer Diagonalen-Angabe in Zoll (und Zentimeter) nicht mehr geholfen ist als mit der Aussage „ist sehr groß“. Und dann schlägt auch noch der Algorithmus zu und gibt sein „eignet sich daher für große Wohnräume“ zum Besten. „Komplette, hochwertige Nachrichtentexte“? Eher nicht. Hier paaren sich vielmehr Banalität und Unsinn, etwa von der Qualität: Das Auto ist sehr groß und eignet sich daher für große Garagen.

Der Vergleich hinkt – kaum! Wer ein großes Auto möchte, will wahrscheinlich viele Leute transportieren. Wer einen großen Fernseher möchte, will wahrscheinlich ein großes Bild sehen. Genauso wie das Auto in die Garage, sollte der Fernseher natürlich ins Wohnzimmer passen (beziehungsweise muss – draußen stehen lassen wie beim Auto ist weniger empfehlenswert). Und jetzt zieht der Vergleich seinen Fuß nach: Beim Auto gibt es keinen empfohlenen Sehabstand, beim Fernseher schon. Für den, der ein großes Bild sehen will, gilt: so nah wie möglich. Zugegeben, mit Einschränkung. Die einzelnen Bildpunkte müssen für das Auge schon zu einem Bild „verschwimmen“. Bei einem 55-Zöller („ist sehr groß“) bedeutet das mit HD-Sendungen einen Mindest-Sehabstand von etwa 2,50 Meter, das gibt sogar noch die Studentenbude her.

Aus Sicht der Auftraggeber aus der Unterhaltungselektronik ist die stramme Aussage des Alexa-Algorithmus‘ also nicht nur Unsinn und banal, sondern auch umsatzschädigend.

Leute, wir sind – fürs Erste – gerettet.