Die richtige Entscheidung: Ein Drama in vier Akten

Gepostet By am Freitag, 29. November 2013 |


Erster Akt: Die Entscheidungsmaschine

Investieren oder nicht investieren? Preiserhöhung – ja oder nein? Kaufen oder verkaufen? Jetzt springt im Unternehmen die Entscheidungsmaschine an. Eine Heerschar von Willigen erstellt Marktanalysen, Risikoabschätzungen, Scoring-Modelle, Entscheidungsbäume. Und irgendwann setzt jemand die Unterschrift drunter, Entscheidung gefallen.

Zweiter Akt: Die Selbstbestätigung

Das Projekt entwickelt sich – okay, nicht ganz so gut, wie erwartet. Alle Scheinwerfer strahlen ihr mildes Licht auf bahnbrechende Teilerfolge (Marktanteilsgewinn im Großraum Starnberg von 1,72 Prozent!). Kausale Ursache-Wirkungsketten werden konstruiert, die Organisation beweist sich die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung, sie legitimiert sich selbst. Zitat des amerikanische Organisationsforschers Karl Edward Weick: „Wenn ich etwas gemacht habe, von dem andere denken sollen, es sei vernünftig, bringe ich Rationalität ins Spiel“.

Dritter Akt: Abtauchen

Das Projekt steht kurz vor der Betonwand – und jemand spricht es aus. Duck and cover – der dritte Aufzug: Alle Mann auf Tauchstation. Nägel feilen, Füße stillhalten, vielleicht mit dem Spielbein schon mal die erste Schuldzuweisung in Position bringen. Der Mann mit der Unterschrift sammelt schwitzend aus den Papierbergen (s.o.) Entlastungsmaterial.

Letzter Akt: Haltet den Dieb!

Das Vergehen wird personalisiert, Pogromstimmung auf den Fluren. Wenn es gut läuft: Karriereknick.

Fazit

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ – vielleicht wird dieses Zitat deshalb so vielen Leuten zugeschrieben (Karl Valentin, Mark Twain, Niels Bohr, etc.), weil es auf einfache Art und Weise erklärt, was Systemtheoretiker wie Heinz von Foerster oder Niklas Luhmann zum Thema Entscheidungen beizutragen haben: Wenn es eine beste berechenbare Lösung gäbe – was müsste dann noch entschieden werden? Ein Unternehmen bräuchte dann keine Entscheider, sondern nur noch Vollzieher. Eine Entscheidung ist eine Umwandlung von Unsicherheit (was sollen wir tun?) in Risiko (wir haben entschieden, wissen aber nicht, wie es ausgeht). Das pseudo-rationale Wesen einer Entscheidung entlarvt sich aber nicht nur am Mangel der Vorhersehung. Es ist alleine schon unmöglich, in den heutigen komplexen Umwelten wirklich alle erforderlichen Informationen zu sammeln – und die Entscheidung (!) was wichtig ist und was nicht, und wie die einzelnen Faktoren gewichtet werden liegen im (subjektiven) Ermessen der involvierten Menschen.

Was also tun? Nichts gegen Informationen sammeln, bewerten und abwägen. Aber wenn eine Organisation den Gedanken der Unentscheidbarkeit von Entscheidungen aushält, kann sie sich so manches Sandkastenspielchen ersparen.

 

Das kleine Rationalitäts-Spielchen zum selbst entscheiden

(Bergmann/Garrecht nach Jon Elster)

1. Sie möchten ein Theaterstück sehen und stellen an der Abendkasse fest, dass Sie einen von mehreren 50-Euro-Scheinen verloren haben. Würden Sie sich dennoch eine Karte für 50 Euro kaufen?

2. Sie möchten ein Theaterstück sehen und haben sich im Vorverkauf eine Karte für 50 Euro besorgt. Am Einlass stellen Sie fest, dass Sie die Karte verloren haben. Würden Sie sich eine neue Karte für 50 Euro kaufen?

Beides mal kostet der Eintritt 100 Euro. Doch im Fall 1 entscheiden sich mehr Menschen für den Kauf als im Fall 2.